Carsten Rüb, Polier bei der Firma AMOS
Wer öfter in die Marbacher Marktstraße kommt, dort arbeitet oder wohnt, kennt Carsten Rüb. Der Polier des Bauunternehmens Albert Amos GmbH & Co. KG scheint nämlich ein Talent zu besitzen, um das ihn alle beneiden könnten. Er schafft es offenbar, überall gleichzeitig zu sein, oben an den Rathäusern, unten beim Torturm, bei den Containern am Göckelhof und um die Mittagszeit auch mal im Eiscafé. Er steht tief unten in einer der Baugruben und schaufelt. Er lehnt sich oben über die Absperrung und erklärt. Am Lenkrad eines Baggers oder am Rüttler kann man ihn ebenfalls antreffen. Seit rund einem Jahr ist er an fünf Wochentagen – und zu wohltätigen Zwecken auch schon mal am sechsten – auf der Sanierungsbaustelle in der Altstadt unterwegs. Rund 22.000 Schritte hat er am Ende des Tages hinter sich gebracht – die Spaziergänge mit seinem Hund nicht unbedingt mitgezählt.
Der 47-Jährige, der in Ludwigsburg zur Welt kam und heute mit Frau, zwei Kindern und einem Labrador in Brackenheim wohnt, ist ein Glücksfall für die Baustelle. Kompetent und immer mit einem offenen Ohr für die Nöte der anderen schafft er es fast immer, die durch Lärm und Staub gebeutelten Menschen in der Marktstraße positiv gegenüber dem Sanierungsgeschehen zu stimmen. Geduldig erklärt er jedem die Maßnahmen und deren Notwendigkeit, schafft so Verständnis für Vorgänge, die uns Laien oftmals nicht sonderlich logisch erscheinen. Es ist ihm wichtig, alle mitzunehmen, denn „wenn die Anwohner und die, die hier arbeiten, hinter mir stehen, ist Ruhe auf der Baustelle“. Und die braucht er, denn es handelt sich bei der Marbacher Innenstadtsanierung um ein kniffliges Projekt.
Altbestand als Leidenschaft
In der Marktstraße ist der Bewegungsspielraum für die riesigen Baumaschinen klein, der Zugang zu den Häusern und Geschäften muss – abgesehen von kurzen Augenblicken – garantiert sein. Das alte Fachwerk und ganz besonders der Torturm stellen die Verantwortlichen vor eine große Herausforderung. Die alten Leitungen laufen kreuz und quer und sorgen beim Aufgraben für manche ungute Überraschung und diffizile Handarbeit. Lieferschwierigkeiten bei Material und Rohstoffen erschweren die Logistik und erfordern jede Menge Kreativität, um Verzögerungen so gering wie möglich zu halten.
Solche Herausforderungen sind aber die Sache von Carsten Rüb. Er ist fest entschlossen, sie zu meistern, und auch bei der Marbacher Baustelle ist er überzeugt: „Das bekommen wir hin.“ Rüb baut sehr viel lieber im Altbestand, Neuerschließungen findet er langweilig. Bei AMOS ist er seit fünf Jahren tätig und rund 90 Prozent seiner Arbeit umfassen Sanierungen. Ganze 32 Jahre ist er im Baugeschäft, wobei das eigentlich untertrieben ist. Genau genommen ist er nämlich schon im Kinderwagen auf die erste Baustelle gerollt, denn sein Vater war ebenfalls Polier. Später jobbte Rüb in den Ferien als Fahrer auf dem Bau, und da blieb er dann einfach. Er absolvierte eine Lehre zum Straßen- und Tiefbauer, bildete sich weiter und stieg zum verantwortlichen Polier auf. 2017 baute er mit seiner früheren Firma in Brackenheim einen Busbahnhof, daneben war AMOS mit einem Kreisverkehr zugange. Offenbar haben Letztere die Talente von Rüb schnell erkannt und ihn prompt erfolgreich abgeworben.
Fürsprecher für das Baugewerbe
Dass die Eltern ihre Kinder davon abhalten, zum Bau zu gehen, kann er nur teilweise nachvollziehen. Die Arbeit macht Rüb Freude, die gestalterischen Möglichkeiten und der Wechsel zwischen der Tätigkeit in seinem mobilen Büro und dem tatkräftigen Zupacken im Freien reizen ihn. Und wenn er mit einer Baustelle fertig ist, findet er klasse, dass er weiß, „was da unten drin ist“. Natürlich freut es ihn auch, wenn Auftraggeber und Chef zufrieden sind.
Nicht wirklich prickelnd findet der Polier, dass der Klimawandel das Arbeiten im Sommer teilweise fast unmöglich macht: „Früher waren die Winter eher das Problem, heute sind es die Sommer. Wir arbeiten durch, auch wenn es ständig über 35 °C hat, und das macht uns richtig zu schaffen.“ Die Leistungskurve sinkt an solchen Tagen stark ab, und vor allem die älteren Mitarbeiter haben darunter zu leiden. Von diesen gibt es nicht wenige, denn die Personaldecke ist nicht dick und wird durch Krankheitswellen und während der Urlaubszeit noch stärker ausgedünnt. Rentner und Leiharbeiter müssen aushelfen. Auch wenn er sonst kaum aus der Ruhe zu bringen ist, wird Rüb dann doch ungehalten, wenn er auf die Nachwuchssorgen im Baugewerbe zu sprechen kommt. Um der Not abzuhelfen, sieht er unter anderem die Politik in der Pflicht: „Wer will schon auf dem Bau arbeiten bei der Aussicht auf Schwerstarbeit bis zum 67. Lebensjahr?“ Eine Differenzierung des Renteneintrittsalters nach der Schwere der Arbeit findet er neben anderen Verbesserungen mehr als notwendig.
Allerdings kann man sich nicht vorstellen, dass Carsten Rüb selbst schon früher in die Rente gehen möchte, zu verbunden scheint er mit seiner Arbeit zu sein. Und das, obwohl er von allen Seiten alles abbekommt, denn für Beschwerden und Ärgernisse ist er meist die erste Anlaufstelle. Aber er bekommt auch Lob, sehr viel Lob. Die Menschen im Sanierungsbereich schätzen seine Art, auf sie zuzugehen, ihnen alles zu erklären und nach Problemlösungen zu suchen. Manchmal entstehen dabei sogar Freundschaften, zumal wenn er so lange an einem Ort ist wie in Marbach.
Und was sagt das Gesicht der Marbacher Baustelle zu eben dieser Baustelle? „Ich habe mir damals die Pläne angesehen, das Ganze ist sehr schön geplant, ich bin begeistert.“